Unternehmenssteuerreform II: Steuerliche Erleichterung für Gewerbe und Landwirte?
Auf den 1. Januar 2011 wird das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer um die Artikel 18a und 37b ergänzt. Davon wird das Gewerbe und die Landwirtschaft profitieren können. Die Änderungen finden im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II statt. Wird der Betrieb verpachtet, an einen Nachfolger übergeben, oder aber die selbständige Erwerbstätigkeit ganz aufgegeben, kann die Besteuerung allfälliger stiller Reserven (Liquidationsgewinn) aufgeschoben werden oder die Besteuerung wesentlich günstiger ausfallen als heute. Dies gilt aber nur, wenn gewisse Kriterien erfüllt sind.
Hintergrund
Nachdem von der Unternehmenssteuerreform I vor allem juristische Personen profitieren konnten, bietet die Unternehmenssteuerreform II Entlastungen für die zahlreichen KMU-Betriebe in der Schweiz. Nach der Abstimmung über das Referendum im Februar 2008 sind in den Steuergesetzen der Jahre 2009, 2010 und 2011 die entsprechenden Massnahmen schrittweise umgesetzt worden. Die Massnahmen zur Entlastung von Personenunternehmen (Landwirte/Einzelunternehmer/Personengesellschaften) werden auf den 01. Januar 2011 in Kraft treten.
Aufschub der Besteuerung von Liquidationsgewinnen
Bei einer Verpachtung des Gewerbes an einen Dritten wurde der Betrieb bis anhin ins Privatvermögen überführt. In der Folge musste über die kumulierten Abschreibungen abgerechnet werden. Dies führte zu einer massiven Belastung von Gewerben, welche Wachstumspotential für bestehende Unternehmen der Branche darstellten oder Neueinsteigern als Trittbrett dienten. Nicht selten wurde aus steuerlicher Sicht die Selbständigkeit weitergeführt, einzig um die Besteuerung hinauszuschieben. Neu führt die Verpachtung eines Geschäftsbetriebes (Art. 18a Abs. 2 DBG) nur auf Antrag des Steuerpflichtigen zur Überführung ins Privatvermögen. Es wird sich in den nächsten Jahren zeigen, wie diese Praxis von den Kantonen umgesetzt wird, wenn beispielsweise eine parzellenweise Verpachtung stattfindet oder nur das Wohnhaus vom ehemaligen Betriebsleiter nicht mit verpachtet wird. Einzelne Kantone werden solche Wohnhäuser weiterhin dem Geschäftsvermögen zurechnen, wollen aber Abschreibungen nur in begründeten Fällen zulassen. Dementsprechend stellt der Ertragsüberschuss eines solchen Wohnhauses Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit mit entsprechenden Steuer- und AHV-Beitrags-Folgen dar.
Liquidation
Bei Selbständig erwerbenden stellt der Betrieb den Hauptteil der Altersvorsorge dar. Diesem Umstand wurde in der Unternehmenssteuerreform II mit den Bestimmungen zum Liquidationsgewinn Art. 37b DBG Rechnung getragen.
Das Modell der Liquidationsgewinne ist zweistufig und bezieht sich auf die steuerrechtlich und echt realisierten stillen Reserven der letzten zwei Geschäftsjahre. Die Liquidationsgewinne werden getrennt vom übrigen Einkommen besteuert. Das übrige Einkommen, welches auch das selbständige Erwerbseinkommen der Steuerperiode ohne den Liquidationsgewinn beinhaltet, wird ordentlich besteuert.
Der Liquidationsgewinn wird unterteilt in einen Bereich, für welchen der Steuerpflichtige einen Einkauf in eine 2. Säule geltend machen kann und einen diesen übersteigenden Betrag. Dabei spricht man von fiktivem Einkauf, wenn der Pflichtige über eine Deckungslücke in der 2. Säule verfügt. Dieser fiktive Einkaufsbetrag errechnet sich nach dem durchschnittlichen selbständigen Nettoerwerbseinkommen (ohne Liquidationsgewinn) der letzten fünf Jahre, multipliziert mit 15% sowie der Anzahl Jahre zwischen dem 25. Altersjahr und dem Liquidationsjahr. Im Maximum beträgt der fiktive Einkauf 835’200 Franken. Der fiktive Einkaufsbetrag wird gleich besteuert wie eine Auszahlung aus der 2. Säule. Der diesen Betrag übersteigende Liquidationsgewinn wird als Restbetrag bezeichnet. Dieser wird zum Steuersatz von einem Fünftel des Restbetrages besteuert, mindestens zu 2% beim Bund.
Damit von dieser günstigeren Besteuerung ab dem 01.01.2011 profitiert werden kann, muss die selbständige Erwerbstätigkeit nach dem vollendeten 55. Altersjahr oder wegen Invalidität aufgegeben worden sein. Weiter darf in der Folge keine selbständige Erwerbstätigkeit mit festen Anlagen oder einem selbständigen Einkommen über 20’880 Franken (analog BVG-Eintrittsschwelle) betrieben werden. Einem unselbständigen Erwerb mit entsprechendem Einkommen steht nichts im Weg.
Die Aufschiebung der Besteuerung und die Besteuerung von Liquidationsgewinnen kann auch kombiniert werden, sofern die entsprechenden Kriterien erfüllt sind.
AHV Beiträge
Diese sind weiterhin vom gesamten selbständigen Erwerbseinkommen geschuldet, unabhängig davon, ob darin „realisierte stille Reserven mit Vorsorgecharakter“ oder „übrige stille Reserven“ enthalten sind. Die Beiträge werden anteilsmässig dem ordentlichen und ausserordentlichen Einkommen zugerechnet. Das heisst, der gesondert besteuerte Liquidationsgewinn vermindert sich um die anteiligen AHV-Beiträge.
Schlussfolgerung
Personengesellschaften und Einzelunternehmen profitieren in Zukunft von einem günstigeren Steuerumfeld in Bezug auf die Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit. Die Kantone werden Steuerausfälle hinnehmen müssen. Diese werden wohl teilweise dadurch kompensiert werden, dass die Bedingungen für die begünstigte Besteuerung restriktiv ausgelegt werden. Die gesetzlichen Grundlagen und die Bestimmungen der Verwaltung sind umfangreich. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass etliche der genannten Änderungen noch Anlass zu Diskussionen geben werden. Letztlich werden sich in den nächsten Jahren auch die Gerichte zu Detailfragen der Umsetzung äussern müssen.
Damit das Potential der Steuerreform genutzt werden kann, ist der Steuerpflichtige in den meisten Fällen auf eine umfassende Beratung angewiesen, die zukünftige Entscheide vorwegnimmt. Eine Beratung im Nachhinein wird nicht mehr in allen Fällen die gewünschten Resultate erzielen können.
Beispiel
Landwirt Müller gibt mit 64 die selbständige Erwerbstätigkeit auf. Er ist keiner Pensionskasse angeschlossen. Es ist ein fiktiver Einkauf von 200’000 Franken möglich. Er wird als Pensionär keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, aber auf dem Betrieb wohnen bleiben. Der Stall und die Remise werden nicht mehr genutzt, das Land wird verpachtet.
Heute | ab 2011 | |
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Buchwert Liegenschaft | 300'000 | 300'000 |
Kumulierte Abschreibungen | 200'000 | 200'000 |
Buchwert Inventar | 100'000 | 100'000 |
Verkauf Inventar | 200'000 | 200'000 |
Liquidationsgewinn | 300'000 | 300'000 |
Einkommen Landwirtschaft ordentlich | 50'000 | 50'000 |
Einkommen Landwirtschaft Total | 350'000 | 350'000 |
AHV-Beiträge (10%) | 35'000 | 35'000 |
Nettoeinkommen ordentlich | 45'000 | |
Nettoeinkommen Liquidation | 270'000 | |
Steuerbares Einkommen | 315'000 | 45'000 |
Liquidationsgewinn separat besteuert | 0 | 270'000 |
Fiktiver Einkauf | 200'000 | |
Restbetrag | 70'000 | |
Steuerbelastung Bund ordentlich | 29'468.00 | 364.00 |
Steuerbelastung Bund Fiktiver Einkauf | 3'052.65 | |
Steuerbelastung Bund Restbetrag | 1'400.00 | |
Steuerbelastung Bund Total | 29'468.00 | 4'816.65 |
Differenz zu Gunsten Steuerreform (nur Bundessteuer) | 24'651.35 |
Kommentar:
Der Liquidationsgewinn setzt sich aus den kumulierten Abschreibungen von 200’000 Franken und dem Gewinn aus dem Inventarverkauf von 100’000 Franken zusammen. Die kumulierten Abschreibungen werden besteuert, weil die Liegenschaft ins Privatvermögen überführt werden muss.